Nebensache
Eine Bildserie zum Thema «Forschungsstand Pornographie»
Hände pressen Orangen aus. Ein Handschuh untersucht eine aufgeschnittene Tomate. Finger trennen Eiweiss von Eigelb. Eine Hand führt einen Schokoladenriegel in ein Brötchen ein. Kinder unter zwölf sehen genau das, erwiesenermassen.
Wie kommt es, dass wir mehr als nur Dinge zum Verzehr sehen? Wenn doch alles nur Kopfsache ist, welche visuellen Reize drücken den Startknopf für unseren privaten Sexfilm? Die Bildserie legt genüsslich die Fallen aus, in die die Fantasie stolpert. Da wären mal die Früchte oder die Eier, die ihr Inneres unter sanftem Druck nach aussen kehren. Da wäre das rohe Fleisch, das jeder Zivilisierung durchs Kochen entgeht. Und da wäre ein Würstchen, das sich in die Vertikale dreht. All das kontrastiert nun hart mit einem farbenfrohen, aber strukturlosen Hintergrund. Auch die Mechanik, mit der gepresst, gestossen und gequetscht wird, ist gesichtslos. Sie versteckt sich in anonymen und austauschbaren Handschuhen. In dieser sterilen Umgebung nun erlangt all das Flüssige, Nackte und Unverarbeitete jene Exhibition und Exposition, die an Filme erinnert, denen die schönste Nebensache zur eigentlichen Hauptsache gerät.
Dr. Mario Kaiser, Herausgeber AVENUE.
Publikation
Magazin für Wissenskultur
Ausgabe 3
Forschungsstand Pornographie
avenue.jetzt